- Gestern und die DNA
Wir waren ein sehr auf den Vorstand fokussiertes und tradiertes Produktions-Unternehmen. Viele Entscheidungen, die da eigentlich gar nicht mehr hingehörten, wurden „auf oberster Ebene“ gefällt. Das hat viele Schleifen erzeugt (Nachfragen vom Vorstand, Antworten aus den Abteilungen, erneute Klärungen, hin und her …) und damit Frustration. Dann verließ der CEO das Unternehmen, ging zum Wettbewerb und ein Führungsvakuum entstand. Wir waren natürlich alle gespannt, was das Unternehmen damit machen würde.
- Was ist passiert?
Vorstand und Aufsichtsrat waren sich in den letzten Monaten nicht mehr wirklich einig. Es ging um Strategie, aber auch um Führung. Offensichtlich hatte man sich auch dort mit aktuellen Management-Trends beschäftigt. Die Zahlen stimmten noch, aber es gab eine Diskussion über den besten Weg in die Zukunft. Die moderner orientierte Personalleitung hatte einen guten Draht zum Aufsichtsrat, es gab konstruktive Gespräche. Jedenfalls kam ein neuer CEO an Bord, der einen komplett anderen Führungsansatz mitbrachte.
- Was haben wir gemacht?
Zunächst hat sich der neue CEO ein sehr genaues Bild verschafft und mit unglaublich vielen Leuten geredet. Er hat eine Nachtschicht mitgearbeitet und ist mit zu verschiedenen Kunden und Kundinnen gefahren, nicht nur zu den großen. War das ungewohnt für die Mitarbeitenden, ein totaler Kulturbruch! Bei uns gab es noch eine sehr ausgeprägte „Sie-Kultur“. Er hat zumindest seinen Direct Reports das Du angeboten. Das verbreitete sich dann sehr schnell. Heute duzen sich hier fast alle. Aber das ist gar nicht der Punkt. Die zentrale Frage war: Wer nimmt eigentlich welche Rolle ein und trifft welche Entscheidungen? Wir hatten ja ein Flaschenhals-Problem. Der CEO hat schließlich gemeinsam mit dem Personalbereich einen Veränderungsprozess aufgesetzt: Welche Entscheidung braucht wie lange, und wer trifft sie im besten Falle? Wir haben – nachdem das gesamte mittlere Management mal alle Schmerzpunkte auf den Tisch gelegt hatte – bottom-up mit moderierten Team-Empowerment-Workshops begonnen und uns langsam „vorgearbeitet“. Es hat geknirscht im Gebälk, viel Verunsicherung gegeben. Verantwortung zu delegieren und zu übernehmen, war für viele neu. Aber man kann es lernen und sich trauen.
- Wo stehen wir heute?
Wir sind noch längst nicht fertig. Einige Abteilungen haben sich komplett neu aufgestellt und kleinere, überschaubarere Teams gebildet, so dass People Management und Coaching durch Führungskräfte realistisch werden. Damit gibt es auch für die Teammitglieder selbst bessere Möglichkeiten für die interne eigenverantwortliche Abstimmung (Auftragsplanung, KPI-Verfolgung, Arbeitszeitgestaltung, Urlaubsplanung). Selbststeuerung kommt voran. Die Teamleitungen kümmern sich sehr viel stärker um die Rahmenbedingungen der Arbeit und um Prozessverbesserung. Das haben früher die Abteilungsleitungen gemacht. Auch wir sind „agiler“ geworden. Unsere Leistung hat sich signifikant verbessert, das sehen wir an unseren Zahlen. Und wir sind dabei, ein Bonussystem in der Produktion zu konzipieren.
- Unsere Erfolgsfaktoren!
Selbststeuerung statt Fremdsteuerung, das ist wirklich das Kern-Thema geworden. Es macht den Produktentwicklungs-Zyklus schneller, verkürzt Prozesse, macht uns wendiger in der Reaktion auf neue Kundenbedürfnisse. Bei uns will niemand zurück, auch wenn es für einige Mitarbeitende und Führungskräfte eine große Wende war, nicht alle geblieben sind (das muss man auch zugeben) und wir immer noch üben … wir „ticken“ jetzt anders und wollen diesen Weg weiter gehen.