- Gestern und die DNA
Geschwindigkeit und Entscheidungsstärke waren nicht gerade unsere Kernkompetenzen. Es herrschte die Kultur, dass in Geschäftsführungs-Runden lange debattiert wurde, man auch eine Entscheidung fällte, aber jede und jeder wusste, dass diese jederzeit revidiert werden konnte. Dann gefiel es dem einen oder der anderen doch nicht, oder es gab eine andere Erwägung, die anscheinend nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich ging man zum Vorsitzenden der GF, diskutierte mit ihm, und plötzlich war die Welt eine andere. - Was ist passiert?
Diese Kultur führte irgendwann dazu, dass wir zwei junge Geschäftsführungs-Kolleg*innen verloren haben, die einfach so nicht arbeiten wollten – verständlicherweise. Und die beiden waren echte Potenzialträger*innen, die uns in den jeweiligen Bereichen vorangebracht hätten. Die Mitarbeitenden der Abteilungen waren verständlicherweise nicht erbaut, es gab viel Unruhe. Die GF kam in eine interne Glaubwürdigkeitskrise. Auch in den Abteilungen sind Mitarbeitende gegangen, die mit ihren Projekten nicht vorankamen, weil Entscheidungen revidiert wurden. Es waren schmerzliche Verluste. - Was haben wir gemacht?
Es hat eine sehr kritische Diskussion innerhalb der Geschäftsführung gegeben, auch heftiges Feedback in Richtung Vorsitz. Phasenweise waren wir nicht wirklich arbeits- und umsetzungsfähig, und das hat die Belegschaft natürlich mitbekommen. Wir haben uns – das klingt banal – mit Methode geholfen. Als erstes haben wir jedoch uns als Persönlichkeiten auf den Prüfstand gestellt und uns selbst evaluiert: Was ist der jeweilige Leadership-Ansatz, wo liegen die individuellen Präferenzen im Verhalten und wo eben nicht? Dabei hatten wir externe Beratung. Jede und jeder hat darauf beruhend für sich eine individuelle Themenliste entwickelt, einen „Verhaltens- und Haltungs-Entwicklungs-Plan“. Der eine oder die andere hat sich zusätzlich extern reflektieren und coachen lassen. - Wo stehen wir heute?
Wir sind ein ganz anderes Führungs-Team geworden. Es hat eine Weile gedauert, dahin zu kommen, es war nicht ganz einfach. Wir haben uns neue Regeln gegeben, und in jeder Geschäftsführungs-Sitzung ist – im Rotationsverfahren – einer bzw. eine verantwortlich, auf die Regeleinhaltung zu achten. Die Regeln sind im Grunde banal: Wir fragen entlang unseres Entscheidungsbaums, ob alle Argumente berücksichtigt sind und irgendjemand noch etwas zu ergänzen hat. Unser GF-Vorsitzender hat sich klar positioniert, dass es keine „stillen Entscheidungen“ mehr in seinem Büro geben wird. Wenn doch noch ein Zweifel aufkommt, wird dieser in der nächsten GF-Runde thematisiert. Und ganz essentiell: Wir haben ein jährliches Strategie-Meeting etabliert, schließen uns zwei Tage ein und nehmen uns Zeit für die langfristige Ausrichtung des Unternehmens. - Unsere Erfolgsfaktoren!
Wir befinden uns – dies soll es tatsächlich immer noch geben – in einem relativ stabilen Geschäftsumfeld. Trotzdem dreht sich auch die Welt bei uns schneller. Wir sind strategischer, entscheidungsstärker und schneller geworden. Wir haben langfristige Projekte aufgesetzt, die uns auf die Zukunft in drei bis fünf Jahren vorbereiten. Wir haben von unserem Eklat gelernt.